Zwischen Stärke und Verletzlichkeit – Wer ist der Mann von heute?

Ein FilmTalk über Rollenbilder, Repräsentation und Verantwortung

Im Rahmen des Filmfest München diskutierten am 29. Juni 2025 Expert:innen aus Film, Forschung und Medien über aktuelle Männlichkeitsbilder – auf der Leinwand wie im echten Leben. Der FilmTalk fand in Kooperation mit Atalante Film und der MaLisa Stiftung statt und bot vielschichtige Perspektiven auf ein Thema, das zunehmend gesellschaftliche Relevanz gewinnt: das Männerbild im Umbruch.
Hier geht es zur Aufzeichnung des Panels in voller Länge:

© Joel Heyd / Filmfest München, von links Serkan Kaya, Christoph Pellander, Maria Furtwängler, Heike-Melba Fendel, Dietrich Brüggemann und Dr. Maya Götz

Nach dem letztjährigen Panel der MaLisa Stiftung zum Thema „Gewalt im Film – der weibliche Blick“ richtete sich der Fokus in diesem Jahr auf Männlichkeitsbilder im Film. Beide Veranstaltungen zeigen in ihrer inhaltlichen Verbindung, wie stark Geschlechterdarstellungen auf der Leinwand unser gesellschaftliches Verständnis von Identität, Macht und Beziehungen prägen. Während 2023 der Blick auf die Darstellung von Gewalt gegen Frauen gerichtet war, stand nun die Frage im Raum: „Wer ist der Mann von heute?“ – und welche Risiken bergen eindimensionale, toxische Rollenbilder? Heike-Melba Fendel moderierte das Gespräch.

Setting the scene
Dr. Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI), eröffnete das Panel mit einer wissenschaftlichen Einordnung zu Geschlechterbildern. Von Geburt an sind Kinder medialen Geschlechterzuschreibungen ausgesetzt: Jungen sollen stark, Mädchen besonders sein.
Götz betreut eine von der MaLisa Stiftung initiierte Studie, die sich mit der Selbstdarstellung junger Männer auseinandersetzt und teilte erste Erkenntnisse: Während männliche Influencer online oft Stärke und Dominanz verkörpern, fehlen vor allem für Jungen Identifikationsfiguren, die Verletzlichkeit, Empathie oder Selbstreflexion zeigen. Ein Nährboden für einengende Normen – und für problematische Strömungen wie die misogyne Incel-Szene auf TikTok.

Zwischen Anspruch und Alltag
Christoph Pellander, ARD Degeto, betonte die Verantwortung von Redaktionen und Programmverantwortlichen, komplexe und diverse Männlichkeitsbilder zu fördern – ohne dabei belehrend zu wirken. Der Anspruch: nicht nur Stoffe abzubilden, sondern bewusst neue Narrative zu entwickeln, die gesellschaftlich anschlussfähig sind.

Was hat die „starke Frauenfigur“ mit dem Männerbild zu tun?
Maria Furtwängler, Produzentin, Schauspielerin und Co-Gründerin der MaLisa Stiftung, reflektierte kritisch: Die mediale Repräsentation von Frauen sei zwar verbessert worden – doch Männerfiguren seien dabei zu wenig mitgedacht worden. „Ich erlebe eine Verunsicherung bei jungen Männern. Und ich vermisse gute Vorbilder“, so Furtwängler.
Gleichzeitig betonte sie, dass im Schnitt alle acht Minuten ein junger Mann auf den sozialen Medien ein Video der sogenannten Manosphere in die Timeline gespielt bekomme. Dieses antifeministische Netzwerk reproduziert stark konservative bis rechte Rollenbilder von sexistischen Witzen, bis hin zu klaren Gewaltandrohungen und Gewaltverherrlichung gegenüber Frauen. Um feministische Forderungen voranzubringen, müsse Film auch hier dringend neue Vorbilder schaffen.

Mehr Verantwortung beim Erzählen
Schauspieler Serkan Kaya sprach offen über die Verantwortung, die er als Darsteller wahrnimmt: „Ich musste Projekte absagen, weil ich das Männerbild, das dort erzählt wurde, nicht vertreten konnte.“ Auch bei intimen Szenen sei Sensibilität gefragt – und die Bereitschaft, eigene Privilegien zu hinterfragen.

© Joel Heyd / Filmfest München

Casting, Körperbilder, Komplexität
Casting-Direktorin Anja Dihrberg-Siebler plädierte für mehr Differenzierung statt stereotyper Körperideale: „Diese ganzen Muckis – wohin sollen die eigentlich in der Figur?“ Sie wünscht sich mehr Offenheit für „brüchige“, ambivalente Rollen und beobachtet einen Wandel, der aber noch nicht alle Milieus erreicht.

Wann ist ein Mann ein Mann? Und braucht es diese Diskussion?
Regisseur Dietrich Brüggemann zeigte sich teilweise skeptisch gegenüber gängigen Narrativen: Er sehe seine Verantwortung vor allem darin, „das Publikum nicht anzulügen“ und gesellschaftliche Entwicklungen kritisch zu hinterfragen. Die Debatte dürfe sich nicht in ideologischen Blasen erschöpfen.

Mehr Raum, mehr Komplexität
Einigkeit herrschte in einem Punkt: Männlichkeit ist vielfältig – und filmische Repräsentationen hat die Macht, dieser Realität gerecht zu werden und neue Vorbilder zu schaffen. Das Panel zeigte, wie anspruchsvoll diese Aufgabe ist – aber auch, wie groß das Potenzial. Nicht nur für die gesellschaftliche Debatte, sondern auch für spannende, ehrliche Geschichten.

Organisiert von Atalante Film und der MaLisa Stiftung im Rahmen des Filmfest München 2025.

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Filmfest München 2025 „Boosting the Next Generation“